Das schriftstellerische Werk von Heinrich Ernst Kromer
Im Jahre 1893 erscheint Kromers erstes Werk, der Gedichtband „Schauen und Bauen, der im E. Pierson Verlag (Dresden und Leipzig) erscheint. In diesem Gedichtband benutzt er den alemannischen Dialekt für einen Großteil seiner Gedichte als Hommage an seine Leserschaft. In den Gedichten dominieren Beschaulichkeit, Weltschmerz und Liebesleid. Kromer zeigt, dass er eine breite Formensprache versteht. Ein wirtschaftlicher Erfolg wird dieser Gedichtband nicht und Kromer distanziert sich später nach eingehender Selbstkritik von seinem Werk und legt in seinem Testament fest, dass kein Nachdruck dieses Bandes erfolgen darf.
Mit seinem 1898 im Verlag J. Leckband Nachfolger (Hamburg) erschienenen Novellenband „Die Mittendurcher“, hatte Kromer mehr Resonanz. Das Werk enthält Geschichten, Erzählungen und Kurzgeschichten von Künstlern und ihren Problemen, von Auswanderern und von Leuten, die aus dem Dorf in die Stadt ziehen.
Ein erfolgreiches Werk Kromers erscheint 1913 beim Verlag Rütten & Loening (Frankfurt) unter dem Titel: „Arnold Lohr’s Zigeunerfahrt“, das es auf sechs Auflagen bringt und 1936 in einer weiteren Auflage beim Verlag Staakmann (Leipzig) unter dem Titel „Der Ausreißer“ erscheint. Erzählt wird die Geschichte eines jungen Mannes, der vorzeitig die Schule verlass und damit den Weg auf dem der Vater ihn „gerne gesehen hätte“. Er schlägt sich mit verschiedenen Gelegenheitsarbeiten durch, bildet sich aber auch künstlerisch weiter. Als Grund für das Ausreissen von Zuhause wird der unbesiegbare Drang nach Spanien, dem Land, dessen Sprache der junge Mann heimlich gelernt hat, genannt. Als er am Ende der Geschichte wieder zurückkehrt, kommt der Vater auf ihn zu und empfängt ihn ohne Vorwurf, so als ob nichts geschehen wäre. Das Buch „Arnold Lohr’s Zigeunerfahrt“ wurde oft mit dem „Grünen Heinrich“ von Gottfried Keller verglichen. Aber so wenig, wie Kromer als Epigone Johann Peter Hebels gelten darf, greift auch dieser Vergleich zu kurz.
Sein Durchbruch als Schriftsteller gelang Heinrich Ernst Kromer mit dem 1915 im Insel-Verlag (Leipzig) erschienenen Buch „Gustav Hänfling. Denkwürdigkeiten eines Porzellanmalers“; auf Empfehlung von Richard Dehmel. Man wird auf diesen, bisher wenig bekannten Schriftsteller aufmerksam. Die Buchbesprechungen sind wohlwollend. Die Person des Porzellanmalers musste von Kromer nicht erfunden werden, denn Kromer arbeitete mit dem aus Schlesien stammenden Mann im ersten Jahrzehnt des vorigen Jahrhunderts in einer Töpferwerkstätte in Konstanz. Er hatte dort die Gelegenheit, dessen Wesensart zu studieren und später dichterisch in eine geeignete Form zu bringen.
Gustav Hänfling ist der Sohn armer schlesischer Weber, der eine Zeit als Lohnarbeiter sein Auskommen hatte, aber sich dann selbständig machte. Die tagebuchartigen Aufzeichnungen Kromers setzen zu diesem Zeitpunkt ein. Es geht um Geld und Aufträge, um entgangene Geschäfte und erzielte Gewinne. Alles dreht sich im Leben und Denken des Gustav Hänfling nur um Geld und um Sparen. Kromer ist es mit dem „ Gustav Hänfling“ gelungen, eine beispielhafte Verkörperung der kleinbürgerlichen Tugenden Fleiß und Sparsamkeit darzustellen und so auf die Spitze zu treiben, dass sie die Satire streift, zumindest aber humoristisch anklingt.
Interessant an diesem Buch ist, dass Kromer reale Orte und Personen seiner Umgebung in das Tagebuch einfließen lässt. Das Lokalkolorit ist unverkennbar, denn es lassen sich Orte in Konstanz identifizieren und auch bei einigen Figuren sind „Verwandtschaften“ zu finden. Von seinem Freund Ernst Würtenberger finden sich Spuren im Kunstmaler Mödlinger und im „Baron“ ist Emanuel von Bodman zu erkennen. Dieses Buch erlebte auch die meisten Neuauflagen.
Die höchste Auflage erzielte die 1934 publizierte Anekdotensammlung „Von Schelmen und braven Leuten“. Es ist eine Sammlung von moralisch-humoristischen Kalendergeschichten, die in deutlicher Nachfolge von Johann Peter Hebels „Schatzkästlein“ stehen. Das Buch wurde vom badischen Ministerium für den Gebrauch in badischen Schulen empfohlen und während des Krieges in einer Feldpostausgabe von 30.000 Exemplaren an die kämpfenden Truppen verteilt.
1935 veröffentlichte Kromer als Herausgeber das Buch „Die Amerikafahrt. Aus den Goldgräberjahren eines Schwarzwälder Bauernsohns“. Verfasser des Buches war sein Vater Dorus Kromer, der 1851 als Zweiundzwanzigjähriger von Riedern am Wald nach Amerika aufbrach, um dort Arbeit zu suchen und mit etwas Glück vielleicht auch Gold zu finden. Dorus Kromer hatte sich von seiner Fahrt Aufzeichnungen gemacht, die er seinem Sohn sandte, nachdem dieser sich danach erkundigte. Es dauerte jedoch 30 Jahre, bis sich Heinrich Ernst Kromer entschloss, die Aufzeichnungen seines Vaters als Buch herauszubringen, wobei er den Text seines Vaters nicht unbearbeitet übernahm. Das Buch fand bei den Lesern eine gute Resonanz, so dass 1942 eine zweite Auflage erscheinen konnte. Tatsächlich ist das Buch spannend geschrieben, bietet Einblicke in die mühevolle Existenz der Einwanderer. Neben den Reiserzählungen erfährt der Leser des Buches auch einiges über den Autor selbst. Er ist arbeitsam, rechtschaffen, unbestechlich und mutig. Die „Amerikafahrt“ ist als eine Hommage Heinrich Ernst Kromers an seinen Vater zu verstehen. Wer es nicht schon bei den Aufzeichnungen ahnt, den führt Kromer im Nachwort direkt auf die Spur: „Bei seiner Umgebung und allen seinen bekannten hüben wie drüben war er geachtet und beliebt wegen seines schlichten und unbestechlichen Wesens und seiner selbstlosen Hilfsbereitschaft, wo er solche für angebracht hielt; Lumpen waren dabei nicht seine Leute und jeder Sorte Schwindels stand er feindlich“.
Am Schluss der Amerikafahrt beschreibt Dorus Kromer, wie er nach seiner Heimkehr von seiner zweiten Amerikafahrt zum ersten Mal seinem jüngsten Sohn, dem späteren Herausgeber, begegnet.
Neben diesen selbständigen Veröffentlichungen schrieb Heinrich Ernst Kromer zahlreiche Beiträge für Zeitschriften und Sammelbände, sowie Beiträge für „Das Bodenseebuch – Jahrbuch für Literatur und Kunst“.